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Die Johannesgemeinde

Die Johannesgemeinde ist eine Darmstädter Innenstadtgemeinde mit ca. 2.200 Gemeindemitgliedern und gehört der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) an.

Schwerpunkte der Gemeindearbeit sind die Kindertagesstätten, die Kinder- und Jugendarbeit, die Hauskreisarbeit, die Altenarbeit, die Kirchenmusik und die charismatisch-missionarischen Aktivitäten.

Die Gemeinde hat eine über 100jährige Geschichte und entstand im Zuge der Stadterweiterung im ausgehenden 19. Jahrhundert.


Die Geschichte der Johannesgemeinde

Bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts hatten die evangelischen Bürger Darmstadts nur eine Kirchengemeinde: die „Vereinigte evangelische Civilgemeinde" (= Stadtgemeinde oder Gesamtgemeinde), die ihre Gottesdienste in Stadtkirche und Stadtkapelle feierte; sie wurde von mehreren "Stadtpfarrern" betreut. In jenen Jahren nach dem zugunsten Deutschlands entschiedenen deutsch-französischen Krieg von 1870/71 dehnte sich Darmstadt vor allem nach Norden zu aus. Für die damalige Zeit ganz folgerichtig ergab sich unter der sehr schnell anwachsenden Bevölkerung der Wunsch nach zusätzlichem Kirchenraum. So gründete man 1879 einen "Evangelischen Kirchenbauverein", der bemüht war, durch eine Vielzahl von Veranstaltungen Geldmittel für einen Kirchen-Neubau aufzutreiben. Ohne indessen die Mittel dieses Kirchenbauvereins zu benötigen, kam Darmstadt zu einer neuen Kirche: zwischen 1883 und 1885 entstand an der Heinheimer Straße (damals noch vor den Toren der Stadt auf nahezu freiem Feld) die Martinskirche.

Ein Darmstädter Privatgelehrter, Max Rieger (1828-1909), hatte 100.000 Mark gestiftet, nicht nur für den Bau einer Kirche. sondern auch für den des Pfarrhauses sowie für die Besoldung des Pfarrers einer neu zu schaffenden Nordostparochie der Stadtgemeinde.

Dem 1879 gegründeten Kirchenbauverein trat 1885 ein „Frauenverein zur Erbauung einer evangelischen Kirche in Darmstadt" zur Seite: beide Vereine sahen nach der Errichtung der Martinskirche ihre Aufgabe darin eine weitere Kirche zu bauen, und zwar im Nordwestviertel. 1887 wurde an der SW-Ecke der Kreuzung von Liebig- und Kahlertstraße für 46.000 Mark ein Bauplatz erworben: mit dem Münchner Architekten Freiherrn Heinrich von Schmidt vereinbarte man, daß er einen Plan für eine Kirche „in den gothischen Formen der mittelrheinischen Bauzone des 14. Jahrhunderts" ausarbeitete. Mit dem 1. April 1891 nahm die Darmstädter Stadtgemeinde die Planung des Neubaus in eigene Regie: der Rohbau sollte ihre Angelegenheit sein. Kirchenbau- und Frauenverein würden sich für den Innenausbau verantwortlich zu fühlen haben.

Zum 1. April 1892 trat zu den bereits bestehenden Pfarrbezirken der Stadtgemeinde ein nordwestlicher hinzu, der „Johannesbezirk". Für Ihn wurde die neue Kirche (Bild Grundsteinlegung) bestimmt. Stadtgemeinde und Kirchenbauverein einigten sich darauf, die Kirche nicht auf dem angekauften Gelände zu errichten, sondern auf dem damaligen Wilhelmsplatz südlich der 1874/75 entstandenen neubarocken Häusergruppe des sog. Louvre. Der Bauplan des Freiherrn von Schmidt wurde durch Karl Schwartze, den Kirchenbaumeister der hessischen Landeskirche, den veränderten Gegebenheiten angepaßt und fand sowohl die Billigung von Schmidts wie die der kirchlichen Behörden: am 28. Juni 1892 konnte der erste Spatenstich getan werden, am 18. Oktober 1892 wurde der Grundstein gelegt.

Ein Jahr vorher, am 29. Juni 1891 war Pfarrer Johannes Guyot (1861-1910) von Mainz als Stadtpfarrer nach Darmstadt berufen worden, zum 1. April 1892 hatte man ihn mit der Verantwortung für den aufzubauenden Johannesbezirk betraut. 1892 wurden in der Kahlertstraße die Vorarbeiten in Angriff genommen für die Errichtung des Pfarr- und des Gemeindehauses: beide wurden noch vor Fertigstellung der Kirche (Bild Innenraum) in Dienst genommen, das Pfarrhaus am 1. Juli, das Gemeindehaus am 4. August, die Kirche am 31. Oktober 1894. Zum 1. April 1895 wurde der „Johannesbezirk" aus der Stadtgemeinde ausgegliedert: von diesem Datum an existiert die selbständige „Johannesgemeinde" mit eigenem Kirchenvorstand.

Für die folgenden 49 Jahre ist in puncto Baugeschichte kaum etwas erwähnenswert: im November 1921 wurde im Inneren der Kirche ein Ehrenmal für die im Weltkrieg 1914-1918 gefallenen Gemeindeglieder errichtet („Trauernder Jüngling" von Robert Cauer d. J. ); im Juni/Juli 1938 wurden Reparaturen am Turmdach ausgeführt und der Turmhahn wurde neu vergoldet.

1943 aber griff der Zweite Weltkrieg brutal nach dem Johannesviertel : der Luftangriff vom 23./24. September richtete im Gemeindebereich große Zerstörungen an und forderte viele Todesopfer. Die Kirche (Bild Zerstörung Schiff) erlitt schwere Schäden durch die Druck- und die Sogwirkung vieler in der Nähe eingeschlagener Spreng- und Minenbomben, so daß keine Gottesdienste mehr in ihr gehalten werden konnten. Während der im Sommer 1944 im Blick auf das im Oktober anstehende 50-Jahre-Jubiläum der Kirche unter großen Schwierigkeiten angelaufenen bescheidenen Wiederherstellungsarbeiten brannte die Johanneskirche in Darmstadts Schreckensnacht vom 11./12. September 1944 aus: im Turm allerdings erlosch glücklicherweise das Feuer im Glockengeschoß, bevor es den Turmhelm erfaßt hatte.

In den Jahren 1946 bis 1948 wurden Enttrümmerungs- und Sicherungsarbeiten in der Ruine ausgeführt, die Dachkonstruktion konnte aufgeschlagen werden. Nach der Währungsreform im Juni 1948 aber stockten die Arbeiten für ein knappes Jahr, weil die Mittel aufgezehrt waren. Ab 1. Juli 1948 sammelte ein im Mai gegründeter neuer „Kirchbauverein" regelmäßig Spenden für den Weiterbau: ein Viertel aller Haushalte der Gemeinde unterstützte seine Arbeit mit dem Ergebnis, daß innerhalb von fünf Jahren knapp 33.000 DM zusammenkamen.

Am 8. August 1949 konnten unter der Verantwortung von Baurat Karl Schaefer, einem Gemeindeglied, die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden: das Kirchendach (Bild Zerstörung Dach) wurde mit (notgedrungenermaßen roten) Ziegeln eingedeckt, die Innendecke wurde eingezogen und der Chorraum wurde verputzt. Danach aber mußten die Baumaßnahmen wieder eingestellt werden zugunsten der Errichtung des als Notkirche verwendbaren Gemeindehauses: das „alte" Gemeindehaus war am 19. September 1944 einem Tagesangriff zum Opfer gefallen.

Im Frühjahr 1952 sammelte die „Chevy Chase Presbyterian Church" zu Washington, die die Johannesgemeinde bereits seit 1949 mit Lebensmittel- und mit Kleiderspenden unterstützt hatte, in ihren Sonntagsgottesdiensten 2.000 Dollar zugunsten des Weiterbaus an der Kirche. Diese Spende ermöglichte die Wiederaufnahme der Bauarbeiten am 14. Juli 1952. Nach wenigen Monaten war die Kirche wieder benutzbar und wurde in einem Festgottesdienst am 2. November eingeweiht.

1953 lief nach Zeitungsglossen über die nicht funktionierenden Kirchturmuhren Darmstadts eine Werbeaktion an für Spenden zugunsten der Wiederherrichtung der Turmuhr: in der Silvesternacht 1954/55 konnte die Uhr samt Schlagwerk ihren Dienst aufnehmen. In den folgenden Jahren wurde die Orgel nach und nach vervollständigt und Kanzel wie Chorraum wurden durch Bildhauer Fritz Schwarzbeck künstlerisch gestaltet. 1964 ordnete die städtische Bauaufsicht die Beseitigung von Schäden am Turm der Kirche an: häufig hatten sich Schiefersteine am Turmhelm gelöst und die Passanten gefährdet. Der Turm wurde bis zum Hahn eingerüstet und statt mit neuen Schiefersteinen mit Kupferplatten eingedeckt; auch die seit dem Brand helmlosen Seitentürme erhielten wieder ihre Dächer. Zum Erntedankfest 1968 bekam das Innere der Kirche unter der Bauleitung der Architektengemeinschaft Nöll und Metzger eine neue Farbgestaltung, für die die von Joachim Pick entworfenen neuen Chorfenster bestimmend sind.

Ab 1989 schließlich wurden sukzessive die im Lauf von fast 100 Jahren schadhaft gewordenen Steine am Kirchenäußeren ausgewechselt. Für eine nicht allzu ferne Zukunft stellt sich jetzt noch die Aufgabe, die Dächer von Schiff und Chor gründlich auszubessern resp. zu erneuern, - vielleicht sogar mit Kupfereindeckung!

Das Geläute der Johanneskirche besteht aus 4 Glocken. Es wurde 1894 in der Glockengießerei Hamm in Frankenthal gegossen. Drei dieser Glocken mußten im Krieg abgegeben werden; vor dem Einschmelzen gerettet, kehrten sie im Jahr 1947 wieder in die Johanneskirche zurück.

Otto Tramer